Presserecherche mutmaßlicher „Ehren“-Morde

© TDF

Hatun Sürücü wurde am 07.02.2005 von ihren Brüdern in Berlin ermordet, weil sie frei und selbstbestimmt leben wollte und damit in den Augen der Brüder gegen die Familienehre verstieß. Dieser „Ehren“-Mord hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt.

In Gedenken an Hatun Sürücü und vieler weiterer Opfer dieser Gewaltform veröffentlicht TERRE DES FEMMES jährlich eine Übersicht mutmaßlicher „Ehren“-Morde in Deutschland.

Die recherchierten Fälle zeigen häufig wiederkehrende Muster:

  • An die Frauen werden strenge Verhaltensnormen gelegt, die eng mit einer rigiden (und nur innerhalb der Ehe stattfindenden) Sexualmoral verknüpft sind.
  • Weicht die Frau von diesen Rollenbildern ab, und sei es nur gerüchteweise, kann dies ihr Leben und/oder das ihres (vermeintlichen) neuen Partners gefährden.
  • Die Frauen wurden häufig bereits minderjährig (zwangs-)verheiratet.
  • TäterInnen, die die Familienehre wiederherstellen wollen, verfügen zumeist über Rückhalt in der Familie oder der Community.
  • Sogenannte Ehrenmorde finden oft im öffentlichen Raum statt.

Pro Jahr werden ca. 12 Menschen Opfer eines (versuchten) „Ehren“-Mordes in Deutschland. Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer 2011 herausgegebenen Studie des Bundeskriminalamts(1).

Über die – in Hinblick auf tödliche Gewalttaten allgemein gesehen – vergleichsweise geringe Fallzahl darf nicht hinwegtäuschen, dass „Ehren“-Morde nur die Spitze ehrbedingter Gewalt darstellen. Früh- und Zwangsverheiratungen, starke Kontrolle der persönlichen Lebensgestaltung sowie weitere Formen physischer und psychischer Gewalt finden weitestgehend im Verborgenen statt. Sowohl Frauen als auch Männer werden in streng patriarchalen Strukturen meist schon im frühen Alter in starre Rollenbilder gesteckt, die sie zu erfüllen haben.

Die Tatsache, dass auch Männer bei „Ehren“-Morden ums Leben kommen, verdeutlicht außerdem: „Ehren“-Morde sind nicht per se mit Femiziden gleichzusetzen. (Mögliche) Unterschiede und Gemeinsamkeiten finden Sie hier in einem ausführlichen Papier. 

Präventionsarbeit muss daher von Anfang an beide Geschlechter einschließen und Rollenbilder kritisch hinterfragen. Nur dann kann langfristig ein Umdenken und ein Ende von Gewalt im Namen der Ehre erreicht werden.

„Ehren“-Mord ist kein juristischer Begriff. Die Tötung aus einem verletzten Ehrgefühl heraus stellt jedoch einen niedrigen Beweggrund dar und erfüllt damit ein Mordmerkmal. 1994 urteilte der BGH, dass ehrbezogene Motive keine strafmildernden Umstände darstellen, die vermeintlich mit „kulturellen Unterschieden“ begründet werden könnten. Die tatsächliche Rechtsprechung kann davon abweichen(2).

Die unten aufgeführten Presserecherchen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2023
Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2022
Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2021
Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2020
Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2019
Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2018
Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2017
Mutmaßliche „Ehren“-Morde 2016

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1. Bundeskriminalamt (Hg.): Ehrenmorde in Deutschland 1996 – 2005. Eine Untersuchung auf der Basis von Prozessakten (Polizei + Forschung Bd. 42), Köln 2011, S. 72.
2. Ebd., S. 44/45; S. 169/170.

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